Der Forschungsreaktor FRM-II: Sein oder Nichtsein, ist auch hier die Frage!
Ein Kommentar von Dr. Hans-Günther Vieweg.
Der Kampf um den Forschungsreaktor FRM-II ist so alt wie die ersten Planungen für das Projekt. Hierbei geht es den Gegnern nicht um eine Abwägung von Risiken und eine Verbesserung der Sicherheit und der Transparenz der relevanten Prozesse. Es geht ihnen um das Aus für den Reaktor, dazu ist ihnen jeder Anlass recht. Ludwig Hartmann, Sprecher der Grünen im Bayrischen Landtag fordert lt. SZ vom 17.5.20: „Der Reaktor dürfe in diesem Jahr nicht mehr angefahren werden. Wir müssen jetzt eine grundlegende Debatte über den Forschungsreaktor führen.“ Auslöser für die jüngste Forderung dieser Art war eine Panne bei der Reinigung des Schweren Wassers im Reaktorbecken, die zu einem Anstieg der Emission des Kohlenstoffisotops 14C über den Kamin bewirkte, einem auch natürlich in der Luft vorhandenen Radioisotop.
Die SZ berichtet in diesem Artikel ausführlich, wie es zu der Panne kam, welche Mengen an Radioaktivität freigesetzt wurden, wie die Gefährdung durch die erhöhte Strahlung war, und was der Betreiber ändert, damit in Zukunft dieses Problem nicht mehr auftritt.
Auch wenn es sich demnach nur um einen kleineren Zwischenfall handelte, die Garchinger Grünen haben schon ein Konzept parat: Der FRM-II wird spätestens 2023 stillgelegt und die Forscher wandern nach Lund in Schweden zu der dann in Betrieb gehenden Europäischen Spallationsquelle (ESS) ab (Quelle: Grüne Garching).
Nun ist der FRM-II nicht nur ein Leuchtturmprojekt von globaler Bedeutung, das losgelöst in Garching und unabhängig von den dort angesiedelten Fakultäten steht. Er ist integraler Bestandteil des Forschungscampus, einem international führenden Wissenschaftscluster.
Für eine Abschätzung der Auswirkungen einer Stilllegung des FRM-II auf den Forschungsstandort lohnt ein Blick auf die Website der ESS. Die Neutronenquelle wird die Forschung in folgenden Bereichen stimulieren: Ingenieurwissenschaften, Medizin, Gesundheit, Energie, Digitalisierung und Grundlagenwissenschaften (https://europeanspallationsource.se/publications#digital).
So lange müsste allerdings kein Wissenschaftler warten, um abzuwandern. Seit 1971 ist das deutsch-französische Institut Laue-Langevin in Grenoble tätig und betreibt die stärkste Neutronenquelle der Welt (https://www.ill.eu). Allerdings ist der Forschungsbedarf in den vergangenen Jahrzehnten laufend gestiegen und wird auch weiter zunehmen. So wenig wie der FRM-II die Neutronenquelle in Grenoble obsolet gemacht hat, sowenig wird die ESS den FRM-II obsolet machen. Für den Forschungscampus mit seinem FRM-II besteht somit keine Gefahr, gegenüber anderen Standorten zu verlieren, solange ein Betrieb des Reaktors gegen alle reaktionären Widerstände gewährleistet werden kann. Dies heißt nicht, dass es kein Verbesserungspotential bei Sicherheitsvorschriften, Kontrolle und Transparenz gibt. Doch dies gilt nicht nur für den FRM-II, sondern für jedes nicht mit göttlicher Vorsehung ausgestattete, von Menschen realisierte Projekt.
Bildquelle:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:110403028-TUM.JPG (Graf-flugplatz / CC BY-SA https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)